13.2.17

Käfer-Köpfen als Wissenschaft



Vor kurzem habe ich über einen Artikel aus dem 1924-er Band „Kosmos – Handweiser für Naturfreunde“ geschrieben. In diesem Buch findet sich auch ein Aufsatz eine gewissen Walter Finkler mit der Überschrift „Überpflanzung von Köpfen“. 
 
Es geht dabei darum, dass der Typ Käfern die Köpfe abgeschnitten hat und sie auf andere Käfer verpflanzt hat. Ich finde das ziemlich abartig und habe auch nicht herauslesen können, warum man so was macht. Erstaunlicher Weise sollen die Käfer diese Prozedur sogar überleben. Der Wissenschaftler beschreibt sogar genau, wie man bei diesem Prozedere vorgehen soll. Obwohl ich abgestoßen war, faszinierte mich das Ganze doch irgendwie.

Das Internet konnte mir zu Walter Finkler auch keine weiteren Informationen liefern. Allerdings stieß ich auf einen Blogartikel der die Überschrift trug: „The Bizarre History of Insect Head Transplants“ 

Hier die Übersetzung:(Die mich reichlich verstört hat)


Kopf-Transplantationen klingen wie ein verrücktes futuristisches Szenario. Stimmt’s? Aber nicht für Entomologen. Sie haben vor mehr als 90 Jahren den Kopf eines Insekts auf ein anderes verpflanzt - während sie beide Insekten am Leben hielten. Was hat man denn für Erkenntnisse von der Kopftransplantation von Insekten?

Manchmal scheint es, dass die Wissenschaft absichtlich abstruse Sachen macht. Ich las in einem  Buch von einem Biologieprofessor, der die Insekten im Wald um sein Haus beschrieb, in dem beiläufig erwähnte wurde, dass man bestimmte Sachen über die Entwicklung der Motten wusste, weil er Gehirntransplantationen mit ihnen durchgeführt hatte. Dies schien mir ein spektakulärer Fall zu sein, um sich näher damit zu beschäftigen. Insektenentwicklung ist spannend, aber Hirntransplantationen sind weitaus spannender.

Der gesamte Prozess muss im Jahre 1923 begonnen haben, als ein Biologe namens Walter Finkler berichtete, dass er es geschafft hatte, die Insekten erfolgreich zu transplantieren. Er arbeitete mit Wasserkäfern, Mehlwürmern und verschiedenen Schmetterlingen - sowohl mit Älteren - als auch mit Jüngeren. Der Transplantationsprozess war nicht kompliziert. Er nahm zwei Insekten, schnitt mit scharfen Scheren die Köpfe ab und tauschte sie aus. Die Flüssigkeit, die die Insekten selbst ausschieden, hielt die neuen Köpfe an ihrem Platz. Nach einiger Zeit - ein Artikel aus dem Jahre 1923 sagt, ein paar Wochen – waren die Insekten geheilt und taten, was ihren neuen Köpfen entsprach. Finkler behauptete, daß die Köpfe der weiblichen Insekten auf männlichen Körpern das weibliche Verhalten fortsetzten und der Kopf einer Schmetterlingsart die Gewohnheiten ihrer eigenen Species bewahrte, selbst wenn ihr Körper einer anderen Species angehörte.
Diese Publikation erregte eine Menge Kommentare. Im Laufe des Jahres 1924 veröffentlichten Zeitschriften Briefe von verschiedenen Wissenschaftlern, die das Thema erörterten. Ein Wissenschaftler, J T Cunningham, beschrieb, da er keine anderen Insekten zur Verfügung hatte, versuchte er das Experiment mit Mehlwürmern. Obwohl es schien, dass die Mehlwürmer, durch die Operation überlebten, reagierten nur die Körper auf Stimulation. Die Köpfe, weit davon entfernt, die Körper zu führen, schienen tot zu sein. Für Cunningham sah es so aus, als hätte das gesamte Experiment gezeigt, dass Insektenkörper auch „ohne Führung“ leben können, anstatt dass sie auf neue Gehirne reagieren würden.
Etliche Wissenschaftler waren sich uneins. Einige standen den Experimenten skeptisch gegenüber und lachten darüber, wie "ein männlicher Kopf einen weibliche Körper in ungewöhnliche Anomalien führte ", andere wiederum wollten das Thema ernster genommen sehen. Anscheinend trug die zweite Gruppe den Sieg davon.

Heute werden solche Transplantationen tatsächlich ernst genommen - zumindest ernst genug, um ein regelmäßiger Teil der Experimente zu sein. Körperliche Funktionen erfordern, bei den meisten Lebewesen, das Zusammenspiel von Körper und Gehirn. Obwohl die Menschen bekannt für ihre Unfähigkeit sind, ohne Kopf zu reagieren, haben Insekten nicht die gleichen Nachteile. In einer Reihe von Experimenten wurden Insekten entweder enthauptet oder deren Köpfe verpflanzt, und die Veränderung in ihren Körperfunktionen beobachtet.
Zum Beispiel verbreiten Kissing Bugs (Raubwanzen) oft Morbus Chagas (eine infektiöse Erkrankung und Parasitose), wenn sie sich von Menschen ernähren. Daher wurde ihr Stoffwechsel oft studiert. Wissenschaftler haben bei den Raubwanzen den Prozess der Akkumulation und die Verarbeitung von Kohlenhydraten studiert. Sie kontrollierten, wie das Gehirn diese beeinflusst, indem sie einige Insekten enthaupten, die Köpfe auf andere verpflanzen und sahen, welche Prozesse durch die Einführung des neuen Kopfes entweder gefördert, verlangsamt oder umgekehrt wurden. Ein ähnliches Verfahren wird bei der Untersuchung der Veränderungen in den Darmzellen von Larven verwendet. In den meisten Fällen stoppt die Kopfentfernung die Entwicklung und den Stoffwechsel, während sich bei verpflanzten Köpfen die Reaktionen veränderten und den Prozess beibehielten.

Am Verstörtesten ist, dass die die Gehirne nicht notwendigerweise dem Kopfteil des Insekts hinzugefügt werden müssen. Während der Untersuchungen, mit bestimmten Raupenpuppen, während des Übergangs zu Motte, nahmen die Forscher an, dass die Puppen immer erst einen Winter überleben müssten. Dies bedeutete, dass die Puppen in dem Stadum sehr kalten Temperaturen ausgesetzt sind. Zumindest würde das ihr ihr Gehirn betreffen. Die Wissenschaftler entnahmen einigen Mottenpuppen Gehirne, die "gekühlt" waren, und steckten sie in die Bäuchen von Puppen, die keiner Kälte ausgesetzt wurden. Tatsächlich, begannen die losen Gehirne mit der Freisetzung von Hormonen, um die Motten zu entwickeln. Wie die Insekten es geschafft haben, mit Gehirnen in ihren Inneren zu leben, wurde nicht erwähnt.

Die Idee von Kopfverpflanzungen für Säugetiere, ja sogar für Menschen, geht immer wieder durch die Nachrichten. Während die Ethik von Experimenten an Menschen und die  Ethik der Experimente mit Insekten sehr unterschiedlich betrachtet wird, lohnt es sich die ganze Sache nicht aus den Augen zu verlieren. Immerhin sind Transplantationen von Kopf und Gehirn doch nicht so unerhört, wie man denken könnte. Und sie machen uns eines klar – wenn die Insekten jemals zu riesigen Monstern mutieren, verdienen wir alles, was sie mit uns machen werden.
Recht gruslig, die ganze Sache.

Allerdings macht mich die letzten Sätze des Artikels von 1924 erst richtig stutzig.
Der junge Kopf am alten Körper macht diesen wieder jung. Freilich nur an Würmern ...!
Ich will da jetzt nicht darüber nachdenken, wo das hingehen könnte!


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