25.7.16

Frau Hippe, Frau Holle und die Wilde Jagd

Wenn man jetzt über Land fährt, dann sieht man die Mähdrescher bei der Arbeit. Stunde um Stunde rücken sie den Getreidefeldern zu Leibe. Meist sind es drei oder gar noch mehr, die sich wie gefräßige Tiere durch die Halme fressen.

Beim Zuschauen frage ich mich, was den aus der Kornmuhme geworden ist? Kennt die überhaupt noch jemand? Ist sie in die Schneidwerkzeuge der Mäher geraten und in tausend kleine Stücke gehäckselt worden? So wie ich sie in Erinnerung habe, wäre das nicht gerade von Vorteil. Damit kann sie sich überall verbreiten und kräftig Unheil säen.
Ihr kennt die Kornmuhme nicht?
Vom Prinzip her gehört sie in die gleiche Gattung wie Frau Holle. Es sind ehemals alte Göttinnen unserer Vorfahren, die als Sagen- oder Märchengestalten ihr Dasein fristen. Oder fristeten. Frau Holle hat es zumindest in den Märchenschatz der Gebrüder Grimm geschafft. Die Kornmuhme, Roggenmuhme oder Frau Hippe, wie sie je nach Gegend heißt, hat es dagegen ungleich schwerer.

Bei Wikipedia wird sie wie folgt beschrieben:
Die Roggenmuhme geht im Feld auf und ab, ernährt sich vom Korn und reißt die unreifen Ähren aus. Wenn sie dem Bauer zürnt, so dorrt sie sein Feld aus und straft ihn auf diese Weise. Allgemein sorgt das durchschreiten des Feldes durch die Roggenmuhme allerdings für Fruchtbarkeit. Bei der Ernte flieht sie in die letzte Garbe. Die Roggenmuhme erhält auch einen Anteil an der Ernte, der entweder stehen gelassen oder ins Feld geworfen wird. Diese Sitte soll die Roggenmuhme gnädig stimmen und ein fruchtbares nächstes Jahr herbeiführen.

Kein Wunder, dass man sich nicht mehr erinnert. Wer stellt den heute noch Garben aufs Feld. Wo soll die Arme denn nun wohnen?

Ihre eigentliche Arbeit bestand auch darin, das Einhalten der Mittagsruhe zu „überwachen“. Wikipedia weiß auch darüber Bescheid:
Die Roggenmuhme tritt insbesondere in der Mittagszeit zwischen 12:00 Uhr und 13:00 Uhr auf, in einer Stunde, die dialektal auch im Untern oder Onnern genannt wird. Daher heißt sie Mittagsfrau, Mittagsmutter, Untermutter, Untermuhme, Enongermur, Enungeschmor, Enongeschmor, Enongermoer oder Einuhrsmutter. Wen sie Mittags auf den Feldern antrifft, den tötet sie oder erschreckt sie durch sonderbare Redensarten

Wenn ich die gegenwärtige Wetterlage von 30 Grad bedenke, dann täte man gut daran, sich an ihre Auflagen zu halten. Aber das ist keine Option für die Mähdrescherfahrer und so ist die Alte wohl doch „unter die Messer geraten.“

Sie ist dabei wohl in guter Gesellschaft. DER WILDEN JAGD ging es ähnlich. Kaum einer erinnert sich heute noch an die unheimliche Horde, die als Geisterzug unter Toben und Schreien durch die Lüfte zieht. Mit ihr ziehen (laut Wikipedia):
Männer, Frauen und Kinder, meist solche, die vorzeitig einen gewaltsamen oder unglücklichen Tod gefunden haben. Der Zug besteht aus den Seelen der Menschen, die „vor ihrer Zeit“ gestorben sind, also durch Umstände verursacht, die vor dem natürlichen Tod im Alter eintraten. Legendarisch ist überliefert, dass Menschen, die den Zug betrachten, mitgezogen werden und dann jahrelang mitziehen müssen, bis sie befreit werden. Auch Tiere, vornehmlich Pferde und Hunde, ziehen mit.
Allgemein ist die Wilde Jagd dem Menschen nicht feindlich gesonnen, doch ist es ratsam, sich niederzuwerfen oder sich im Hause einzuschließen und zu beten. Wer das Heer provoziert oder ihm spottet, wird unweigerlich Schaden davontragen, und wer absichtlich aus dem Fenster sieht, um das Heer zu betrachten, dem schwillt etwa der Kopf an, so dass er ihn nicht zurückziehen kann.


Dieser Zug ist je nach Gegend in den Rauhnächten (zwischen Wintersonnenwende und Hohenneujahr) oder auch zu anderen Zeiten unterwegs. Auch ihnen hat man, nach der Ernte, einige Heu- oder Grasbüschel stehen gelassen um sie gnädig zu stimmen.

Wenn ich mir unseren effizienten Ackerbau, vor allem im Zuge von Biogasanlagen und nachwachsenden Rohstoffen, begutachte, dann hatte die Wilde Jagd wohl ebenso keine Chance wie die Roggenmuhme.

Wie schade eigentlich – damit ist unsere Welt wieder um etwas ärmer.

Bildquellenangabe:        Rainer Sturm  / pixelio.de
 



18.7.16

Qoigong und Putzen



Weil ich das Wochenende als Teilnehmerin  bei einem richtig guten Qigong-Kurs verbracht habe, gehe ich auch ziemlich entspannt in die Woche. Das Einzige was mich stört ist, dass natürlich in dieser Zeit jede Menge Arbeit liegengeblieben ist. Da könnte ich mich jetzt eigentlich mit voller Kraft draufstürzen. Aber meine Entspannung geht soweit, dass ich nicht in blinden Aktionismus verfalle. Das Qigong wirkt halt immer noch. Und so lautet mein Motto: Weiter schön gelassen bleiben!

Darum hole ich zuerst einmal die Mails ab. Natürlich ist wieder eine ganze Anzahl sinnloses Zeugs aufgelaufen. Irgendwelche Dates in der Nachbarschaft mit reifen Frauen. Wer kommt nur auf die Idee mir so etwas anzubieten? Kredite ohne Schufa. Danke, das brauche ich auch nicht. Ich habe ja schließlich beschlossen aus eigener Kraft reich zu werden: Aber ein Post ist darunter, der mir ein Buch empfiehlt, welches mich dann doch interessiert. Der Absender ist ausgerechnet Ordnungsliebe.net. 

Ja – ich liebe die Ordnung. Es ist so toll, wenn man alles auf Anhieb findet und nicht danach suchen muss. Allerdings geht es mit dem "Ordnung halten" wohl so wie mit dem "Reich werden". So ganz einfach ist es nicht. Ich habe ja schon einige Ratgeber zu diesen beiden Themen. Aber da war noch nie ein Buch dabei, bei dem ich sozusagen ein Schlüsselerlebnis hatte. Vielleicht wird es diesmal was. Denn das Werk heißt: 

Die Kunst des achtsamen Putzens: Wie wir Haus und Seele reinigen 

von Keisuke Matsumoto 

Das passt genau zu meiner Stimmung! Ich habe es daher gleich mal bestellt. Und weil es noch etwas dauert, bis es bei mir im Briefkasten landet, mache ich erst noch einmal eine Runde Qigong. Ich kann ja jetzt nicht einfach anfangen zu putzen – schließlich könnte ich ja was falsch machen. Also bleibt der Staubsauren noch in seiner Ecke. Und ich geh nach draußen. Da werde ich mal "die Wolken teilen" - vielleicht bekommen wir dann doch noch etwas Sommer ab.


11.7.16

Von Juli-Namen, huntlich tag und bunten Sträußen



Der Juli ist, so steht es jedenfalls in allen Kalenderbüchern geschrieben, die hohe Zeit des Sommers. Der siebte Monat des Jahres verspricht eigentlich die wärmsten Tage. Immerhin nannten unsere Vorfahren ihn auch Heumond. Normalerweise beginnt die Heuernte ja im Vormonat, aber jetzt gilt oft die letzte Möglichkeit um sein „Heu ins Trockene zu bringen“. 
Das Wiesengras verliert mit der Zeit an Geschmack und Kraft. Es steht längst nicht mehr so im vollen Saft, wie vor einigen Wochen. Zudem werden die Sommergewitter denen, die bisher nicht vorgesorgt haben, die Ernte verderben.

Da ist doch Honigmond eine bessere Namenswahl. Die Bienen arbeiten fleißig am ihrem Wintervorrat, der nicht nur den Menschen schmeckt. Daher wurde der Juli auch Bärenmonat genannt. Meister Petz hat eine besondere Vorliebe für diese süße Speise und wusste einen vollen Bienenstock auch sehr zu schätzen.

Mitten im Juli beginnen die Hundstage. In dieser Zeit (ab 24.7.) soll es dann besonders warm werden. Den Namen haben die „huntlich tage“ nach dem Sternbild des Canicula, also dem Hund des Orion.

Jetzt blüht und duftet es allenthalben. Viel schöner als jede gekaufte Blume ist ein bunter Wiesen- oder Gartenblumenstrauß. Den kann man mit allerlei Kraut anreichern. Zu den bunten Farben gesellen sich dann noch angenehme Düfte. Pfefferminze, Zitronenmelisse, Dill und Salbei sehen nicht nur dekorativ aus, sondern sind auch sehr angenehm zu riechen. Zusammen mit einigen Gräsern und verschiedenen Wildkräutern lassen sich die wunderbarsten Bukette erstellen. 






1.7.16

Über BITTE, DANKE und einen Facebook-Post

Eigentlich schreibe ich auf diesem Blog immer montags einen Beitrag. Das hat sich so eingebürgert, weil ich hier mehr oder weniger meine private Meinung und persönliche Eindrücke kundtue. Manchmal muss ich mich aber eher zu Wort melden, weil mir etwas auf der Seele brennt. So ist es auch heute. Getreu dem Motto: „Wer die Regeln kennt, der darf sie auch brechen“ mache ich mir eben einmal am Freitag so meine Gedanken.
Auslöser war ein Post auf Facebook. Der lautete: „Mein Kind wird von mir nicht angehalten "Bitte" und "Danke" zu sagen. Dafür ernten wir oft erboste Blicke Und Kommentare. Wie steht ihr zu der Thematik“? Mein erster Einfall war: Na, wie ist der den drauf. Auf die anschließende Diskussion war ich echt nicht gefasst. Ich war erstaunt, wie viele Menschen doch der Meinung sind, dass man die Kinder nicht anhalten sollte, allgemeine Höflichkeitsregeln einzuhalten, weil es sie in ihrer Persönlichkeit und ihrem Selbstbewusstsein einschränken würde.

Ich hätte diese ganzen Sachen nicht vor dem morgendlichen Hundespaziergang lesen sollen! Irgendwie hab ich ständig dieses Thema im Kopf gehabt. Anstatt mich  wie gewöhnlich am frühen Morgen und an der Natur zu erfreuen, musste ich pausenlos nachdenken.

Zuerst fiel mir der Kumpel unseres Sohnes ein. (Ich glaube man hat versäumt, ihm solche „Höflichkeitsdingens“ beizubringen.) Es stört mich überhaupt nicht, dass er einfach ohne zu klingeln zu unserer Haustür hereinmarschiert. Aber es bereitet mir ziemliches Bauchgrummeln, dass er sich dann ohne ein Wort an uns vorbeidrücken will. Wir haben es uns als Familie inzwischen angewöhnt im Chor zu sagen „Guten Tag, lieber D.“ .Zum Glück bekommen wir mittlerweile meist ein Grinsen und auch eine Antwort.
Nun stellt sich mir die Frage: Haben wir mit unserer „familiären Erziehungsmaßnahme“ sein Selbstbewusstsein untergraben?

Und wie ist das überhaupt mit dem gesunden Selbstbewusstsein? Kann man das entwickeln, wenn man immer und überall in Watte gepackt wird? In den Beiträgen auf Facebook kommen solche Sachen vor wie: Kinder sollen selber entscheiden, Worte sind nur leere Hülsen ... etc.

Wie habe ich das bei unseren Kindern gehandhabt?
Wir leben alle in sozialen Beziehungen miteinander. In denen gelten die jeweiligen Gruppenregeln. An die sollte man sich anpassen, wenn man innerhalb dieser Gemeinschaft agieren will. Wenn man das nicht möchte, dann steht es uns, frei die Regeln zu missachten. Dafür müssen wir aber dann auch die Konsequenzen tragen. Wir können aber nur willentlich gegen die Normen verstoßen, wenn wir sie auch kennen. Daher ist es meines Erachtens die Pflicht der Eltern den Kindern diese Richtlinien beizubringen.
Eine dieser Regeln ist es auch, dass man innerhalb der Gruppe respektive der Familie bestimmte Aufgaben übernehmen muss. (Ich befürchte, an dieser Stelle wird die Community aufschreien: Kinder sollen doch Kinder bleiben!) Habe ich lange Zeit auch so gesehen und unseren Nachwuchs recht wenig belastet. Die häuslichen Aufgaben im Familienverband waren nach meiner Sicht recht klein. Vielleicht ist es (und ich ahne, dass das die Wahrheit ist) meine Schuld, dass sie jetzt, wo sie erwachsen sind, in ihrem Leben viel zu oft herumeiern als schnurstracks auf ein Ziel loszumarschieren. (Sorry Kinder, ich sehe das so - wir können ja am Wochenende darüber reden.)

Als ich mit meinem Gedankenkarussell an dieser Stelle angekommen war, fiel mir eine meiner Lieblingsszenen aus dem Film „Gremlins – kleine Monster“ ein. Der süße Fellpuschel Gizmo hat sich aus einer Büroklammer einen Bogen gebastelt und bindet sich ein Band in Rambo-Manier um den Kopf. Dazu sagt er die wesentlichen Worte „Ein Mann muss tun, was ein Mann eben tun muss.“ (Das gilt natürlich auch für Frauen!) Aber wie soll man den „tun was zu tun ist“, wenn man nie gelernt hat, dass man „seins“ auch mal hintenanstellen muss? Selbstverständlich nicht immer und in jeder Situation. Dafür gibt es ja diesen Rahmen, der unser Zusammenleben regelt beziehungsweise regeln sollte. Wenn ich den jedoch nicht kenne, werde ich doch ständig daran anstoßen und mich wundern warum andere so „komisch“ reagieren. Will ich mich absichtlich dagegen entscheiden, dann braucht es zwei Dinge. Hier komme ich zu meiner anfänglichen Aussage zurück: Wer die Regeln kennt, der darf sie auch brechen. Und man muss wissen, welche Wirkungen das für einen selbst und die Umwelt hat. Dazu braucht es aber eine gewisse Lebenserfahrung. Und können Kinder erst nach und nach ansammeln. (Sind wir mal ehrlich: Jedes Vorschulkind würde mit Begeisterung die „lange Nacht der Horrorfilme“ anschauen, wenn man es lassen würde, ohne darüber nachzudenken, dass es in den nächsten Wochen mehr als nur Monster unter dem Bett vermuten wird.)

Ehe ich mich jetzt aber in Erziehungsfragen verliere, driften meine Gedanken wieder zu BITTE und DANKE zurück. Bisher hatte ich darüber noch nie so intensiv nachgedacht. Inwiefern gehört das eigentlich zu unserer Kultur?

Wenn wir uns auf die christlich-abendländische Tradition beziehen, finden wir Dank- und Bittgebete. Also scheint das schon mal über Jahrhunderte verankert zu sein. Für alle die jetzt aufschreien, dass sie mit dem Christentum nichts am Hut haben, kann ich nur hinzufügen: Ich auch nicht (aber ich feiere trotzdem Weihnachten)

Betrachten wir die andere Seite der Medaille. Alle wahrhaft spirituell arbeitenden Menschen nähern sich der Natur und ihren sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfen mit Hochachtung. Auch hier gehören BITTE und DANKE zu den allgemeinen Gepflogenheiten.
Warum sollte das in unserem Zusammenleben anders sein? Es ist doch nichts als ein Zeichen der Achtung dem anderen Menschen gegenüber.

Ich habe dem Schreiber des Postes, der diese, meine Gedankenflut losgelassen hat, eine Frage gestellt, denn ich habe auf seinem Facebook-Profil gesehen, dass er einen Laden leitet: „Du hast ein Geschäft. Wie kommunizierst du mit den Kunden? Ohne bitte und danke?“
Ich habe noch keine Antwort bekommen. Aber das würde mich brennend interessieren.

Bitte ... mal ganz ohne Worte!